Vollspektrum – Vorteile der Therapie

Medizinalcannabis enthält mehr als 100 Phytocannabinoide, die bekanntesten sind das psychotrope Tetrahydrocannabinol (THC) und das nicht berauschende Cannabidiol (CBD). Daneben gehören zu den über 500 Pflanzeninhaltsstoffen weitere biologisch aktive Substanzen, insbesondere Terpene und Flavonoide.

Zahlreiche Studien und Erfahrungen vieler Cannabispatient*innen zeigen, dass Zubereitungen der ganzen Cannabispflanze, sogenannte Vollspektrum-Präparate (Cannabisblüten, Vollspektrumextrakte) oft wirksamer und verträglicher sind als isolierte Cannabismedikamente wie Dronabinol (synthetisches oder halbsynthetisches THC). Die vorteilhafte Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Pflanzeninhaltsstoffen wird Entourage-Effekt genannt. Es wird intensiv am Wechselspiel zwischen Cannabinoiden und Terpenen geforscht, auch zur Rolle der Flavonoide gibt es erste Studien. Wir geben einen Überblick zu Vorteilen der Vollspektrumpräparate bei Schmerzen, Epilepsie und affektiven Störungen (Depressionen, Bipolare Störungen, Angsterkrankungen).

Was ist der Entourage-Effekt?

Der Entourage-Effekt wurde erstmals 1998 von dem israelischen Chemiker Raphael Mechoulam entdeckt und beschreibt synergistische Wirkungen zwischen verschiedenen Cannabinoiden sowie anderen Pflanzeninhaltsstoffen [1]. Intra-Entourage-Effekt bezeichnet Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Cannabinoiden. So kann durch Kombination von THC mit nicht psychotropem CBD die Bioverfügbarkeit von THC verbessert und der psychotrope Effekt reduziert werden. Inter-Entourage-Effekte werden Wechselwirkungen zwischen Cannabinoiden und anderen Pflanzeninhaltsstoffen wie Terpenen und Flavonoiden genannt [2].

Vollspektrum, Breitspektrum, Isolate – Was ist der Unterschied?

Medizinalcannabis wird in unterschiedlichen Darreichungsformen verwendet. Je nach Zusammensetzung der Cannabinoide und anderer Pflanzeninhaltsstoffe werden Vollspektrum-Cannabismedikamente und isolierte Cannabismedikamente unterschieden [3]:

Cannabisblüten werden zerkleinert und mit einem Vaporisator inhaliert. Empfohlen werden Temperaturen zwischen 180 und 210 Grad Celsius [4]. Bei diesen Temperaturen verdampfen neben Cannabinoiden auch Terpene, deren Siedepunkte oft niedriger liegen. Beispielsweise Monoterpene wie Limonen und Pinen sieden zwischen 150 und 185 Grad Celsius [5]. Cannabispatient*innen profitieren bei inhalativer Anwendung von Cannabisblüten oder ethanolischen Cannabisextrakten vom Entourage-Effekt.

Medizinische Cannabisextrakte werden mit Lösungsmitteln wie flüssigem Kohlendioxid, Ethanol oder Olivenöl gewonnen. Je nach Verarbeitungsverfahren und Zusammensetzung werden isolierte Cannabinoide, Breitspektrum- und Vollspektrumextrakte unterschieden [3]:

  • Cannabinoid-Isolate: reines Phytocannabinoid wie THC oder CBD
  • Breitspektrumextrakte: THC-armer Cannabisextrakt, aus dem THC nahezu vollständig entfernt wurde
  • Vollspektrumextrakte: neben THC und CBD sind auch Spuren-Cannabinoide, Terpene, Flavonoide und weitere Pflanzeninhaltsstoffe enthalten

Aufgrund des Entourage-Effekts zwischen Cannabinoiden und anderen Pflanzeninhaltsstoffen werden Breit- und Vollspektrumextrakte als therapeutisch vorteilhafter angesehen [5].

Darüber hinaus werden synthetische Cannabinoide medizinisch angewendet. Dronabinol – ein Synonym für THC – wird halbsynthetisch oder vollsynthetisch gewonnen. Nabilon, ein in den USA zugelassenes vollsynthetisches THC-Derivat, wird bei Übelkeit und Erbrechen unter einer Chemotherapie und bei Anorexie von HIV- bzw. AIDS-Patient*innen eingesetzt [6]. Synthetische Cannabinoide enthalten nur einen Reinstoff und bewirken daher keinen Entourage-Effekt.

Wann sind Vollspektrumpräparate ungeeignet?

Trotz medizinischer Vorteile sind in bestimmten Fällen Breit- oder Vollspektrumpräparate ungeeignet: Dazu zählen Unverträglichkeiten, beispielsweise gegen Terpene. Kontaktallergien sind für oxidiertes Limonen und Linalool bekannt [7]. Leistungssportler*innen oder andere Personen, die regelmäßig Drogentests durchführen, sollten eine CBD-Behandlung ausschließlich mit Isolaten durchführen, da Vollspektrum-CBD-Präparate geringe Mengen THC enthalten, die zu positiven Ergebnissen beim Drogentest führen können [8]. Auch für Haustiere eignen sich diese Produkte meist nicht, da Terpene zu Vergiftungen führen können. So ist Limonen und Linalool giftig für Katzen [9].

Schmerz und Entzündung

Die positiven Effekte von Cannabis bei Schmerzen und Entzündungen sind gut untersucht. Bislang standen jedoch reines THC und CBD im Fokus, Vollspektrumextrakte sind kaum untersucht. Neben THC und CBD können weitere Cannabinoide wie Cannabinol (CBN) und Cannabichromen (CBC) bei Schmerzen unterstützen. Daneben wirken die Terpene Myrcen, Alpha-Pinen, Beta-Caryophyllen und D-Limonen unterstützend.

Entourage-Effekt zwischen Cannabinoiden (insbesondere THC und CBD) und Terpenen bei Schmerz und Entzündung:

Vollspektrumextrakte in Form des Fertigarzneimittels Sativex, einem THC- und CBD-haltigem Mundspray, wurden in zahlreichen klinischen Studien bei Patient*innen mit Multipler Sklerose (MS) untersucht. Die Cannabinoide wurden entweder alleine oder ergänzend zu anderen MS-Medikamenten eingesetzt. Das Mundspray linderte zahlreiche Beschwerden: Reduzierte neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen), Muskelsteifigkeit und Spastik, sowie verbesserte die Schlafqualität. Die Studien bestätigen, dass Vollspektrumpräparate effektiv diese Symptome bekämpfen können. Sativex ist zugelassen zur Behandlung der Spastik bei Patient*innen mit Multipler Sklerose.

Im Gegensatz dazu ergab eine 2017 veröffentlichte deutsche Studie keine signifikante Wirkung von Dronabinol gegenüber Placebo bei MS-Betroffenen mit Nervenschmerzen. Nachteilig kommt hinzu, dass reine THC-Medikamente oft schlechter verträglich sind, wodurch Nebenwirkungen wie kognitive Beeinträchtigung und Herzrasen (Tachykardie) häufiger auftreten [10].

Vollspektrumpräparate von Schmerzpatient*innen bevorzugt

Londoner Forschende fassten in einer Übersichtsarbeit die Erkenntnisse zur Rolle des Synergie- und Entourageeffekts bei Schmerzen zusammen. Von Schmerzpatient*innen bevorzugt werden demnach klar Vollspektrumprodukte, da sie bessere Schmerzlinderung bei besserer Verträglichkeit bewirken. Die schmerzlindernde Wirkung von THC wird durch CBD unterstützt: Bei Patient*innen mit nicht-tumorbedingten Schmerzen zeigt CBD ein gutes Sicherheitsprofil, wirkt signifikant schmerzlindernd und reduziert die Einnahme opiatbasierter Schmerzmittel. Psychotrope Effekte von THC werden durch CBD eingedämmt. Daher können THC/CBD-ausbalancierte Präparate eine gut verträgliche und effektive Schmerzbehandlung darstellen [11].

Schmerz- und Migränepatient*innen bevorzugen indica-dominante Cannabissorten

Terpene binden zwar mit Ausnahme von Beta-Caryophyllen nicht an Cannabinoid-Rezeptoren, wirken jedoch über andere Angriffspunkte (wie andere Rezeptoren, Ionenkanäle und Enzyme) schmerzlindernd. Cannabisblüten enthalten je nach Chemovar völlig verschieden zusammengesetzte Cannabinoide, Terpene, Flavonoide und weitere sekundäre Pflanzenstoffe. Der Entourageeffekt könnte erklären, warum viele Betroffene Vollspektrumpräparate gegenüber Einzelsubstanzen bevorzugen. Schmerz- und Migränepatient*innen bevorzugen THC-dominante Cannabisblüten mit niedrigem CBD-Gehalt, die als Hauptterpene Beta-Caryophyllen und Myrcen enthalten [12].

Unterschiedliche Verhältnisse von Haupt- und Nebencannabinoiden und Terpenen können diese Wirkunterschiede erklären. Bestimmte Cannabisblüten sind wegen ihrer stimmungsaufhellenden Wirkung besonders zur Tagesanwendung geeignet, während sedierende Sorten zur Abendanwendung bevorzugt werden.

Synergistische Effekte sind auch zwischen Cannabis und anderen Schmerzmitteln beschrieben. So hängen die beiden körpereigenen Schmerzhemmsysteme Endocannabinoid- und Opioid-System zusammen. Endocannabinoide beeinflussen körpereigene Opioide und umgekehrt. In Schmerzmodellen erhöhte Cannabis die schmerzlindernde Wirkung von Opioiden und reduzierte Opioidabhängigkeit. Cannabinoide können auch die schmerzlindernde Wirkung von nicht-opioiden Schmerzmitteln wie Diclofenac unterstützen. Eine Cannabistherapie kann eine Dosisreduktion von Opioiden und anderen Schmerzmitteln ermöglichen und damit Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden oder Abhängigkeit verringern [13].

Epilepsie

In einer 2018 publizierten Meta-Analyse untersuchten brasilianische Forschende 199 Veröffentlichungen zu CBD-basierten Medikamenten mit insgesamt 670 Betroffenen mit therapieresistenter Epilepsie. Das Ergebnis dieser Literaturrecherche war sehr erfreulich: Fast Zweidrittel der Patient*innen (399 von 622 Personen, 64%) konnten ihre Anfallshäufigkeit durch CBD reduzieren. Dabei waren Vollspektrumpräparate reinen CBD-Medikamenten signifikant überlegen: Unter CBD-dominanten Vollspektrumextrakten berichteten fast Dreiviertel (318 von 447 Personen, 71%) von weniger Krampfanfällen. Dagegen nahmen die Anfälle unter reinem CBD lediglich bei knapp der Hälfte (81 von 175 Personen, 46%) ab [14,15].

CBD-Vollspektrumextrakte besser verträglich

Darüber hinaus war die benötigte CBD-Dosierung beim Vollspektrumextrakt geringer: Während beim CBD-dominanten Vollspektrumextrakt 6mg/kg/Tag ausreichten, waren beim CBD-Isolat mit 25,3mg/kg/Tag wesentlich höhere Dosierungen zur Anfallskontrolle nötig. Durch Einsatz von Vollspektrumextrakten können also Cannabinoide eingespart werden. Ein weiterer Vorteil war die bessere Verträglichkeit von Vollspektrumprodukten: Während unter CBD-Isolat 76 Prozent an leichten und 26 Prozent an schweren Nebenwirkungen litten, waren diese unerwünschten Wirkungen mit 33 Prozent beziehungsweise 7 Prozent unter CBD-Vollspektrumextrakt seltener.

Auch 11 klinische Studien mit epileptischen Patient*innen, größtenteils Kindern, wurden ausgewertet: Fünf Studien untersuchten reines CBD und sechs Studien CBD-reiche Vollspektrumextrakte. Das beste Ergebnis zeigte eine 2016 publizierte israelische Studie an Kindern mit CBD-reichem Extrakt an der pädiatrischen Neurologie am Sheba Medical Center: 89 Prozent der 74 Teilnehmer*innen hatten weniger Anfälle. Bei Auswertung aller 11 Studien konnten bei etwa einem Drittel (83 von 311 Personen, 27 Prozent) der Betroffenen die Anfallshäufigkeit sogar um über 70 Prozent gesenkt werden [14,15].

CBD-Vollextrakt bessert Begleitsymptomatik bei Epilepsie-Patient*innen

Daneben linderte ein CBD-Vollspektrumextrakt auch andere Beschwerden bei Epileptiker*innen: Aufmerksamkeit, Schlafqualität, Stimmung, Verhalten und Aggression, Sprache und Kognition und Motorik besserten sich. Derartige positive Auswirkungen wurden in Studien mit reinem CBD nicht beobachtet. Einschränkend kommt hinzu, dass nicht jede Studie auf Begleitsymptome untersucht und eine eventuelle Begleitmedikation mit Antiepileptika die Anfälle ebenfalls reduziert haben könnte. CBD gilt nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen als ähnlich sicher wie andere Antiepileptika, trotzdem ist es nicht risikolos. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Appetitveränderungen, Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Störungen und Durchfall, Gewichtsveränderungen, Fatigue und Übelkeit. Seltener kam es zu schweren Nebenwirkungen wie Thrombozytopenie und veränderten Leberwerten [14,15].

Präklinische Studie: Cannabidiolsäure (CBDA) verstärkt krampflösenden Effekt von CBD

Ein amerikanisches Forscherteam zeigte in einer 2021 veröffentlichten präklinischen Studie an Ratten, dass Cannabidiolsäure (CBDA), die nicht-decarboxylierte Vorstufe von CBD, die krampflösende Wirkung verstärkt. Die Forschenden untersuchten drei Cannabinoidpräparate und verglichen die antikonvulsive Wirkung.

  • Partial-Spektrum CBDA-reicher Extrakt (Chylobinoid): enthält 74,5 Prozent CBDA, sowie weitere Cannabinoide
  • Hochreines mit Magnesiumionen stabilisiertes kristallines CBDA (Mg-CBDA): enthält 92,8 Prozent CBDA, enthält keine weiteren Cannabinoide
  • Cannabidiol-Isolat (CBD): reines CBD ohne weitere Cannabinoide

Alle drei Cannabiszubereitungen, das heißt sowohl CBD als auch die Vorstufe CBDA, schützten die Tiere dosisabhängig vor experimentellen Krämpfen. Interessant ist der Vergleich der beiden CBDA-haltigen Zubereitungen Chylobinoid (74,5 Prozent CBDA) und Magnesium-CBDA (92,8 Prozent CBDA): Chylobinoid enthält weniger CBDA als hochreines Magnesium-CBDA, aber jedoch weitere Cannabinoide. Für eine krampflösende Wirkung reichte bei Chylobinoid eine geringere CBDA-Dosierung aus. Möglicherweise verstärken weitere in Chylobinoid vorkommende Cannabinoide die krampflösende Wirkung von CBDA. Insgesamt zeigt das Tiermodell, dass CBDA-reiche Cannabisextrakte ähnlich krampflösend wirken wie CBD. Die Ergebnisse sprechen für den Entourage-Effekt [16].

Affektive Störungen und Angsterkrankungen

Affektive Störungen bezeichnet Stimmungsstörungen wie Depressionen, Angsterkrankungen und bipolare Störungen (manisch-depressive Erkrankungen). Medikamente wie Antidepressiva lindern diese, indem sie die Botenstoffe Noradrenalin, Serotonin und Dopamin beeinflussen. Diese Neurotransmitter steuern Emotionen und Verhalten wie Stimmung, Vigilanz (Wachheit), Motivation, Fatigue und psychomotorische Agitation. Derzeitige medikamentöse Therapien lindern Stimmungsstörungen nur bei 60 bis 70 Prozent der Betroffenen, weshalb die Cannabinoide THC und insbesondere CBD als neue Therapieoption in den Fokus rücken.

Die angstlösenden und antidepressiven Wirkungen von CBD beruhen auf einer Art “Entourage-Effekt” zwischen dem Endocannabinoidsystem (ECS) und anderen Rezeptorsystemen: Bekannt ist, dass Endocannabinoid-, Noradrenalin- und Serotonin-System miteinander interagieren. CBD aktiviert präsynaptische Cannabinoid-1-Rezeptoren, wodurch das sympathische Nervensystem weniger des Botenstoffs Acetylcholin freisetzt [17].

Umfrage in Kanada: Angstpatient*innen bevorzugen Cannabissorten mit bestimmten Terpen- und Cannabinoidprofilen

Eine 2018 veröffentlichte kanadische Studie untersuchte in einer Umfrage verschiedene Cannabissorten bei Ängsten. Befragt wurden 442 Personen im Alter zwischen 40 und 59 Jahren, die Cannabisprodukte einer lizenzierten Abgabestelle nutzen. Über die Hälfte (60 Prozent) berichtete davon, Cannabis zur Angstlinderung anzuwenden. Eine diagnostizierte Angststörung lag bei 15 Prozent der Befragten vor. Auf der 10-stufigen Likert-Skala stuften Teilnehmende die angstlösende Wirkung ein, höhere Werte bedeuten bessere Therapieerfolge. Cannabis konnte Ängste effektiv lindern: 260 Betroffene, die Angst als Anwendungsgrund angaben, stuften Cannabis als effektiv ein (8,03 auf der Likert-Skala).

Um zu klären, welche Cannabissorten besonders effektiv sind, wurden die Teilnehmenden gebeten, aus 25 Cannabissorten die jeweils best- und schlechtwirksamsten Strains auszuwählen, wobei eine Mehrfachauswahl möglich war:

  • Effektivste Sorten: Bubba Kush, Skywalker OG, Blueberry Lamsbread, Kosher Kush
  • Weniger effektive Sorten: Chocolope, Blueberry Lambread, CBD Shark, Tangerine Dream

Das Forscherteam analysierte anschließend Cannabinoid- und Terpenprofile dieser Sorten, um Zusammenhänge zwischen Chemotypen und angstlösender Wirkung festzustellen:

  • Die am besten angstlösenden Sorten sind überwiegend Kush-Varietäten (Bubba Kush, Skywalker OG [19], Kosher Kush) mit ähnlichem Terpenprofil: trans-Nerolidol, Beta-Caryophyllen, Alpha-Pinen und D-Limonen. Genetisch stammen sie von Landrassen des Kush-Gebirges in Zentralasien ab. Vorkommen von trans-Nerolidol hing signifikant mit besserer Angstlösung zusammen. Auch die aus früheren Studien bekannte angstlösende Wirkung von Alpha-Pinen und D-Limonen konnte bestätigt werden.
  • Weniger angstlösende Sorten haben ein abweichendes Terpenprofil: Terpinolen, Guaiol, Myrcen, Beta-Caryophyllen und D-Limonen.Der Auswertung zufolge können Guaiol und Terpinolen angstverstärkend wirken: Dreiviertel der ineffektivsten Strains enthalten Guaiol, bei effektiven Sorten kommt es dagegen nicht vor. Die meisten „negativen Stimmen“ erhielt Chocolope, der einzige Strain mit Terpinolen, ein Terpen mit eher stimulierenden, angstverstärkenden und anti-analgetischen (schmerzverstärkenden) Effekten.
  • Blueberry Lamsbread, eine myrcen-reiche Sorte, wurde von Teilnehmenden bezüglich Ängsten verschieden bewertet. Unterschiedliche Symptome und biochemische Eigenschaften der Betroffenen können eine Rolle spielen, so das Forscherteam.

Zusammengefasst ist trans-Nerolidol das Hauptterpen in besser angstlösenden Cannabissorten. In weniger effektiven Sorten ist Myrcen das häufigste Terpen. Guaiol und Terpinolen können bestehende Ängste verschlimmern. Stärker angstlösende Strains haben höhere THC- und niedrigere CBD-Gehalte. Trotz ähnlicher Beschwerden wirken verschiedene Cannabissorten bei jedem anders.

Kontrollierte Studien sind nötig, um besser zu verstehen, wie verschiedene Strains bei Ängsten wirken. Dies wird es Patient*innen erleichtern die individuell beste Sorte zu finden. Ebenfalls sollte erforscht werden, warum manche Betroffene mit verstärkten Ängsten reagieren [18].

Fazit

Vollspektrumpräparate enthalten neben Cannabinoiden auch Terpene, Flavonoide und andere Pflanzeninhaltsstoffe. Ihr Zusammenspiel wird Entourage-Effekt genannt und spielt für Wirkung und Verträglichkeit eine zentrale Rolle. Viele Cannabispatient*innen bevorzugen Cannabisblüten und Vollspektrumextrakte gegenüber Einzelwirkstoffen wie Dronabinol.

Klinische Studien und Umfragen zeigen, dass Betroffene mit Schmerzen, Entzündungen oder Ängsten Cannabissorten mit bestimmten Cannabinoid-und Terpenprofilen anwenden. Auch Studien mit Epilepsie-Patient*innen, die CBD-Medikamente erhalten, zeigten für Vollspektrumpräparate eine bessere Anfallskontrolle bei besserer Verträglichkeit. Studien an Ratten zeigten, dass auch CBDA als Vorstufe von CBD krampflösend wirkt. Im Gegensatz zu THC wirkt CBD nicht psychotrop, daher eignen sich CBD-reiche oder THC/CBD-ausbalancierte Cannabissorten besonders bei Behandlungsbeginn.

Die aktuelle Studienlage zum Entourage-Effekt ist begrenzt. Zukünftige klinische Studien mit Vollspektrumpräparaten werden weitere Informationen über vorteilhafte Wirkstoffverhältnisse zwischen Cannabinoiden, Terpenen und Flavonoiden bei bestimmten Erkrankungen liefern. Dies wird Patient*innen die Sortenauswahl erleichtern. Ein Ausprobieren ist dennoch unverzichtbar, da Cannabis selbst bei gleichem Gehalt an THC, CBD und Terpenen bei jeder Person anders wirkt. Cannabispatient*innen sollten daher auf Signale ihres Körpers achten, um gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin das optimale Cannabispräparat zu finden, welches die beste Beschwerdelinderung bei möglichst wenigen unerwünschten Effekten hervorbringt.

Quellen:

[1] Russo EB. Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. Br J Pharmacol. 2011;163(7):1344-1364. doi:10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x

[2] Koltai H, Namdar D. Cannabis Phytomolecule ‚Entourage‘: From Domestication to Medical Use. Trends Plant Sci. 2020;25(10):976-984. doi:10.1016/j.tplants.2020.04.007

[3] Cather JC, Cather JC. Cannabidiol primer for healthcare professionals. Proc (Bayl Univ Med Cent). 2020;33(3):376-379. Published 2020 Jul 6. doi:10.1080/08998280.2020.1775437

[2] https://www.vapormed.com/en/amfile/file/download/file/351/product/169/

[5] Cox-Georgian D, Ramadoss N, Dona C, Basu C. Therapeutic and Medicinal Uses of Terpenes. Medicinal Plants. 2019 Nov 12:333–59. doi: 10.1007/978-3-030-31269-5_15. PMCID: PMC7120914.

[6] Institute of Medicine (US); Joy JE, Watson SJ Jr., Benson JA Jr., editors. Marijuana and Medicine: Assessing the Science Base. Washington (DC): National Academies Press (US); 1999. 5, Development of Cannabinoid Drugs. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK230708/

[7] Karlberg AT, Lepoittevin JP. One hundred years of allergic contact dermatitis due to oxidized terpenes: What we can learn from old research on turpentine allergy. Contact Dermatitis. 2021;85(6):627-636. doi:10.1111/cod.13962

[8] https://www.wada-ama.org/sites/default/files/resources/files/2022list_final_en.pdf

[9]Hooser SB. Toxicology of selected pesticides, drugs, and chemicals. D-limonene, linalool, and crude citrus oil extracts. Vet Clin North Am Small Anim Pract. 1990;20(2):383-385. doi:10.1016/s0195-5616(90)50032-7

[10] Maayah ZH, Takahara S, Ferdaoussi M, Dyck JRB. The molecular mechanisms that underpin the biological benefits of full-spectrum cannabis extract in the treatment of neuropathic pain and inflammation. Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis. 2020;1866(7):165771. doi:10.1016/j.bbadis.2020.165771

[11] Anand U, Pacchetti B, Anand P, Sodergren MH. Cannabis-based medicines and pain: a review of potential synergistic and entourage effects. Pain Manag. 2021;11(4):395-403. doi:10.2217/pmt-2020-0110

[12] Baron EP. Medicinal Properties of Cannabinoids, Terpenes, and Flavonoids in Cannabis, and Benefits in Migraine, Headache, and Pain: An Update on Current Evidence and Cannabis Science. Headache. 2018;58(7):1139-1186. doi:10.1111/head.13345

[13] Pryce G, Baker D. Potential control of multiple sclerosis by cannabis and the endocannabinoid system. CNS Neurol. Disord. Drug Targets 11(5), 624–641 (2012). Crossref. PubMed.

[14] FA, da Silva LR, Coan AC. Potential Clinical Benefits of CBD-Rich Cannabis Extracts Over Purified CBD in Treatment-Resistant Epilepsy: Observational Data Meta-analysis [published correction appears in Front Neurol. 2019 Jan 10;9:1050]. Front Neurol. 2018;9:759. Published 2018 Sep 12. doi:10.3389/fneur.2018.00759

[15] Pamplona FA, da Silva LR, Coan AC. Corrigendum: Potential Clinical Benefits of CBD-Rich Cannabis Extracts Over Purified CBD in Treatment-Resistant Epilepsy: Observational Data Meta-analysis. Front Neurol. 2019;9:1050. Published 2019 Jan 10. doi:10.3389/fneur.2018.01050

[16] Goerl B, Watkins S, Metcalf C, Smith M, Beenhakker M. Cannabidiolic acid exhibits entourage-like improvements of anticonvulsant activity in an acute rat model of seizures. Epilepsy Res. 2021;169:106525. doi:10.1016/j.eplepsyres.2020.106525

[17] Ferber SG, Namdar D, Hen-Shoval D, et al. The „Entourage Effect“: Terpenes Coupled with Cannabinoids for the Treatment of Mood Disorders and Anxiety Disorders. Curr Neuropharmacol. 2020;18(2):87-96. doi:10.2174/1570159X17666190903103923

[18] Kamal BS, Kamal F, Lantela DE. Cannabis and the Anxiety of Fragmentation-A Systems Approach for Finding an Anxiolytic Cannabis Chemotype. Front Neurosci. 2018;12:730. Published 2018 Oct 22. doi:10.3389/fnins.2018.00730

[19] https://www.leafly.com/brands/tilray/products/tilray-skywalker-og

About Minyi Lü

Minyi Lü suffers from chronic pain due to her finger arthritis. She has been treating her complaints very successfully with medicinal cannabis since 2017. As a pharmacist in internship, she now brings her know-how to report on the latest scientific findings around medicinal cannabis.