Cannabis bei Suchterkrankungen

Cannabis ist die beliebteste illegale Droge. Manche Fachleute vertreten die Auffassung, dass Cannabis als Einstiegsdroge zum Konsum weiterer Drogen führt. Dagegen zeigen immer mehr Studien, dass Cannabinoide als „Ausstiegsdroge“ bei Abhängigkeitserkrankungen unterstützen können. Laut klinischen Studien kann CBD beim Nikotin-, Opioid- und Cannabisentzug unterstützen. Aktuelle Umfragen und Studien zeigen, dass THC- und CBD-haltiges Cannabis Opiatentzugserscheinungen bei den meisten Betroffenen lindert. Der zunehmende legale Zugang zu Freizeit- und Medizinalcannabis in den USA zeigt bereits positive Auswirkungen auf den Konsum anderer Drogen: So weisen Bundesstaaten mit legalem Zugang zu Cannabis weniger opiatbedingte Todesfälle auf. Eine Studie aus Colorado zeigte, dass starke Alkoholkonsument*innen an Tagen, an denen Cannabis konsumiert wird, weniger Alkohol trinken und weniger Rauschtrinken betreiben.

Ab wann liegt eine Abhängigkeit vor?

Abhängigkeit, umgangssprachlich auch Sucht genannt, ist ein globales Gesundheitsproblem. Weltweit waren im Jahr 2017 über 30 Millionen Menschen betroffen [1]. Mediziner*innen diagnostizieren das Abhängigkeitssyndrom nach verschiedenen Klassifikationssystemen (ICD-10, ICD-11, DSM-IV oder DSM-5) [2].

Kennzeichen für das Abhängigkeitssyndrom sind [2]:

  1. Starker Konsumdrang (Craving, Suchtdruck)
  2. Kontrollverlust
  3. Toleranzentwicklung
  4. Körperliche Entzugssymptome
  5. Vernachlässigung anderer Interessen und Verpflichtungen
  6. Anhaltender Substanzkonsum trotz schädlicher Folgen

Nach ICD-10 liegt ein Abhängigkeitssyndrom vor, wenn drei Kriterien innerhalb eines Jahres wiederholt oder während eines Monats auftreten. Bei körperlicher Abhängigkeit entwickelt sich eine Toleranz, der Körper gewöhnt sich an die Wirkung der Substanz. Betroffene brauchen eine Dosiserhöhung, um einen Rausch zu erreichen, beim Absetzen treten Entzugserscheinungen auf.

Psychische Abhängigkeit zeigt sich durch Kontrollverlust und zwanghaftem Konsum. Betroffene wollen die angenehme Substanzwirkung immer wieder erleben oder unangenehme Effekte vermeiden. Die Gedanken drehen sich nur noch um die Droge, andere Interessen werden vernachlässigt.

Die neuere ICD-11 umfasst auch Substanzen ohne Abhängigkeitspotenzial wie Antidepressiva, Abführmittel oder nicht-Opioide Schmerzmittel. Auch die nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten Glücksspiel (gambling disorder) und Onlinespiel (gaming disorder) gehören dazu [2].

Welche Drogen können abhängig machen?

Substanzgebunde Störungen (substance-related disorders) können durch unterschiedlichste Drogen ausgelöst werden [3]:

  • Alkohol
  • Koffein
  • Cannabis
  • Halluzinogene (Phencyclidin oder ähnliche Arylcyclohexylamine und andere halluzinogene Substanzen)
  • Inhalantien („Schnüffelstoffe“)
  • Opioide
  • Sedativa (Beruhigungsmittel), Hypnotika (Schlafmittel) oder Anxiolytika (angstlösende Substanzen)
  • Stimulanzien (Amphetamin-Derivate, Kokain und andere Stimulanzien)
  • Tabak
  • Andere teils unbekannte Substanzen („Designerdrogen“)

Trotz verschiedener Wirkungen können alle Drogen bei übermäßigem Konsum das Belohnungssystem im Gehirn aktivieren,dessen wichtigster Botenstoff Dopamin ist [2,3]. Das Belohnungssystem ist überlebenswichtig, es motiviert zu erwünschtem Verhalten (z.B. Essen) und spielt beim Gedächtnis eine Rolle. Psychotrope Substanzen lösen jedoch derart starke Glücksgefühle („High“) aus, dass normale Alltagsaktivitäten vernachlässigt werden [3].

Abhängigkeitserkrankungen sind chronische Erkrankungen. Trotz medikamentöser und psychologischer Behandlung werden viele Betroffene rückfällig. Studiendaten zeigen, dass ein Jahr nach Therapieabschluss über 85 Prozent der Konsument*innen von Alkohol, Nikotin oder illegalen Drogen rückfällig werden [4]. Zu den Gründen gehört die mangelnde Effektivität verfügbarer Behandlungen. Für bestimmte Abhängigkeiten, beispielsweise Cannabis, Kokain oder Amphetaminen sind bis dato keine spezifischen Therapien verfügbar. Das Endocannabinoid-System reguliert Emotionen, Kognition und Belohnungssystem. Cannabisbasierte Medikamente sind daher ein interessanter Ansatz zu effektiven und sicheren Therapien bei Substanzkonsumstörungen (SUD: substance use disorder) [1,2].

Cannabidiol (CBD) bei Abhängigkeitserkrankungen

Cannabidiol (CBD) ist ein nicht-psychotropes Cannabinoid der Cannabispflanze. Klinische Studien belegen eine antikonvulsive, angstlösende und antipsychotische Wirkung. Präklinische und klinische Studien zeigen suchtlindernde Wirkungen. Eine 2021 durchgeführte systematische Literaturrecherche zeigte, dass CBD eine vielversprechende Therapie bei Substanzgebrauchsstörungen (SUD) sein kann. Die Forschenden werteten 24 präklinische und 16 klinische Studien aus.

Klinische Studien zeigten positive Einflüsse bei Nikotin-, Cannabis- und Opioid-Konsumstörungen (z. B. bezüglich Häufigkeit und Menge des Konsums). Im Gegensatz zu den Tierversuchen zeigte sich beim Menschen kein Effekt bei Kokain- oder Alkoholkonsumstörungen. Allerdings ist die Datenlage bisher klein, sodass weitere klinische Studien nötig sind [5].

CBD wirkt an verschiedenen Rezeptoren, darunter TRPV1-Kanäle, Serotonin-, Cannabinoid- und Dopaminrezeptoren. Wissenschaftler*innen nehmen an, dass CBD die Dopaminantwort modulieren und dadurch abhängiges Verhalten reduzieren kann. Um Sicherheit, Effektivität und Wirkmechanismen zu erforschen, sind weitere Studien nötig [6,7].

Cannabisgebrauchsstörung (CUD: cannabis use disorder)

Die am weitesten verbreitete illegale Droge ist Cannabis. In Europa hat ungefähr jeder vierte Erwachsene damit Erfahrung. In Deutschland konsumierten etwa 3,11 Millionen Menschen der Bevölkerung (18 bis 64 Jahre) im letzten Jahr Cannabis, das entspricht 6,1 Prozent der Gesamtbevölkerung [8].

Cannabis ist im Vergleich zu den meisten anderen Drogen weniger riskant, das Abhängigkeitsrisiko darf jedoch nicht unterschätzt werden. Etwa 10 Prozent der weltweit 193 Millionen Cannabiskonsument*innen haben ein problematisches Konsumverhalten. Oft leiden Betroffene unter weiteren psychischen Erkrankungen und Substanzabhängigkeiten. Psychotherapeutische Ansätze (z. B. Verhaltenstherapie, Motivationstherapie, Kontigenzmanagement) können beim Reduzieren des Cannabiskonsums unterstützen. Medikamente zur Behandlung von Cannabisabhängigkeit, darunter auch Cannabidiol (CBD), werden derzeit erforscht [9].

Doppelblinde Studie: CBD bei Cannabissucht

Londoner Forscher*innen untersuchten in einer 2021 veröffentlichten Doppelblindstudie nicht-psychotropes CBD zur Behandlung von Cannabiskonsumstörungen (CUD). 82 Teilnehmende im Alter zwischen 16 und 60 Jahren nahmen an der Phase-2a-Studie teil, die aus zwei Studienabschnitten bestand. Betroffene hatten nach DSM-5 mit mittelschwerer oder schwerer CUD zu kämpfen, berichteten über mindestens einen erfolglosen Versuch aufzuhören und konsumierten auch Tabak. Das Forscherteam untersuchte, wie unterschiedlich dosiertes synthetisches CBD den Cannabiskonsum beeinflusst. Mit regelmäßigen Urintests wurden die Konzentration des THC-Abbauprodukts THC-COOH überwacht, zusätzlich gaben Teilnehmende wöchentlich die Zahl abstinenter Tage an.

  • Erste Studienphase (zwischen Mai und August 2015): Über 4 Wochen nahmen 48 Teilnehmende zweimal täglich Placebokapseln oder CBD-Kapseln unterschiedlicher Dosierung (insgesamt 200, 400 oder 800 mg) ein. Die Forschenden stellten die Unwirksamkeit der niedrigsten CBD-Dosierung fest und setzten die Studie mit den höheren Dosierungen fort.
  • Zweite Studienphase (zwischen Mai 2016 und Januar 2017): Weitere 34 Betroffene nahmen 4 Wochen lang Scheinmedikament oder mittel- bzw. hochdosiertes CBD ein. Unter CBD-Therapie nahm der Cannabiskonsum signifikant ab: Teilnehmende hatten weniger THC-Abbauprodukte im Urin (Abfall um 94 ng/ml bzw. 72 ng/ml) und berichteten über eine Zunahme der Abstinenztage (um 0,48 Tage/Woche bzw. 0,27 Tage/Woche). Die CBD-Therapie war insgesamt gut verträglich mit leichten bis mittelschweren Nebenwirkungen.

Die Studienergebnisse deuten auf dosisabhängige Wirkungen von CBD hin, von Fachleuten biphasischer Effekt genannt. Während die niedrigste Dosis unwirksam war, konnten die höheren Dosierungen den Cannabiskonsum verringern. Den größten Behandlungserfolg zeigte die mittlere CBD-Dosierung. Betroffene konnten auch in der Nachuntersuchung (Juni 2017) den reduzierten Cannabiskonsum beibehalten, während dieser anhaltende Erfolg bei hoher CBD-Dosierung ausblieb. Verschiedene Ergebnisse zeigten sich bei Cannabisentzugssymptomen, Tabakkonsum, Schlafqualität und Ängsten. Die mittlere CBD-Dosierung reduzierte den Zigarettenkonsum, verschlechterte jedoch den Schlaf. Cannabisentzugserscheinungen und Ängste wurden am besten durch hochdosiertes CBD gelindert. Die Forschenden betonen jedoch, dass Langzeitstudien nötig sind. Weitere Forschung wird klären, ob CBD eigenständig den Cannabiskonsum reduzieren kann oder lediglich den Cannabisentzug erträglicher macht [10].

Opioid-Gebrauchsstörung (OUD: opioid use disorder)

Missbrauch und Überdosierung von illegalen Opioiden wie Heroin, aber auch von Opiat-basierten Schmerzmitteln sind problematisch. Die größte Gefahr einer Opiatvergiftung ist eine potenziell tödliche Atemlähmung. Ende der 90er-Jahre sind opioidbedingte Todesfälle in den Vereinigten Staaten sprunghaft angestiegen. Das Opioid Fentanyl machte 2018 mit 46.802 dokumentierten Todesfällen Zweidrittel aller opiatbedingten Sterbefälle aus [11]. Beim Opiatentzug können unterschiedlichste Beschwerden wie Angst, Schmerzen, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Während akute Entzugssymptome ein bis zwei Wochen anhalten, können manche Beschwerden monatelang anhalten [12].

Präklinische Forschung zeigte, dass das Endocannabinoid-System eine Rolle beim Opiatentzug spielt. THC und CBD sowie die Erhöhung des Endocannabinoids Anandamid wirken lindernd auf den Opiatentzug. Klinische Studien an Menschen gibt es bisher kaum: Zwei Doppelblindstudien aus den Jahren 2015 und 2016 zeigten, dass die Reinsubstanz Dronabinol (ein anderer Begriff für THC) Opiatentzugserscheinungen lindert [13].

Eine Literaturrecherche von 2022 ergab, dass CBD als Zusatztherapie beim Opiatentzug eingesetzt werden kann. CBD wirkt angstlösend, antidepressiv, entzündungshemmend, brechreizlindernd, schmerzlindernd und mindert das Verlangen nach Opioiden. Es sind jedoch prospektive Doppelblindstudien nötig, da bisher nur präklinische Studien und kleine klinische Studien existieren [12].

USA: Legale Cannabisabgabestellen mit weniger opiatbedingten Todesfällen verbunden

Immer mehr US-Bundesstaaten legalisieren Cannabis. Eine 2021 veröffentliche Studie untersuchte, wie sich die legale Cannabisversorgung auf den Opiatmissbrauch auswirkt. Das Forscherteam untersuchte auf Bezirksebene (county level) den Zusammenhang zwischen Anzahl der Cannabisverkaufsstellen (Dispensaries) und opioidbedingten Todesfällen zwischen 2014 und 2018. Daten aller 812 Counties der 23 US-Bundesstaaten, die bis Ende 2017 Medizinal- und/oder Freizeitcannabis erlaubten, wurden analysiert.

Die Datenanalyse ergab, dass zunehmender legaler Cannabiszugang mit verringerten Todesfällen durch Opiate zusammenhängt. Eröffnet auf Bezirksebene eine weitere Cannabisverkaufsstelle (Erhöhung von einer auf zwei Dispensaries), ist dies mit um 17 Prozent reduzierten opioidbedingten Sterbefällen verbunden. Bei synthetischen Opiaten wie Fentanyl gingen die Todesfälle sogar um über ein Fünftel (21 Prozent) zurück. Die Ergebnisse legen Zusammenhänge zwischen zunehmender Verbreitung des Cannabiskonsums und reduzierter opiatbedingter Sterblichkeit nahe [14].

Cannabis lindert Opioid-Entzugssymptome bei den meisten Betroffenen

In einigen US-Bundesstaaten wird Medizinalcannabis zur Behandlung der Opiatabhängigkeit angewendet. Ein Forscherteam der Johns-Hopkins-Universität untersuchte 2020 mit einer Umfrage an Betroffenen, ob Cannabinoide den Opiatentzug erleichtern oder verschlimmern. Dazu wurden 200 Teilnehmende befragt, die im Vormonat Cannabis und Opioide konsumierten und Erfahrungen mit einem Opiatentzug hatten. Dazu gaben die Betroffenen an, welche Entzugssymptome durch Cannabis gelindert oder verstärkt wurden. Zusätzlich wurde die Stärke der Opiat-Entzugserscheinungen an Tagen mit und ohne Cannabis bewertet.

Über die Hälfte (62,5 Prozent) der 200 Teilnehmenden konsumierten Cannabis, um den Opiatentzug zu lindern. Den Ergebnissen zufolge können Cannabinoide zahlreiche Opiatentzugssymptome lindern, darunter Angstzustände, Tremor (Zittern) und Schlafstörungen. Bei einem kleinen Anteil der Befragten (6,0 Prozent) verstärkte Cannabis jedoch die Beschwerden, insbesondere Gähnen, tränende Augen und laufende Nase. Frauen berichteten über größere Symptomlinderung als Männer. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Cannabis den Opiatentzug deutlich lindern kann. Nur in Einzelfällen verschlimmerte Medizinalcannabis gewisse Beschwerden. Weitere klinische Studien sind nötig [13].

Alkoholgebrauchsstörung (AUD: alcohol use disorder)

Alkohol ist trotz des hohen Gefahrenpotenzials in unserer Gesellschaft weitestgehend akzeptiert. In Deutschland konsumieren Einwohner*innen über 15 Jahren durchschnittlich 11 Litern Reinalkohol jährlich. Fast jeder Fünfte (18,1 Prozent) trinkt riskante Alkoholmengen. Daten der WHO zeigen, dass Alkohol für sechs Prozent aller Todesfälle verantwortlich ist.

Die WHO gibt folgende Empfehlungen für risikoarmen Alkoholkonsum:

  • Männer sollten maximal 24 g (zwei Standardgetränke) und Frauen 12 g (ein Standardgetränk) reinen Alkohol pro Tag konsumieren.
  • An mindestens zwei Tagen pro Woche sollte kein Alkohol getrunken werden.

Bei längerem und hochdosiertem Alkoholkonsum entwickelt sich eine körperliche Abhängigkeit, beim Entzug kommt es zu verschiedenen Symptomen, die lebensbedrohlich sein können: Hauptsymptome sind Zittern, Unruhe, Schwitzen, Schlafstörungen und Kreislaufprobleme. Psychische Störungen wie Angst und Depressionen sind häufig. Bei schweren Fällen kann es zu Krampfanfällen oder Delir kommen.

Exzessiver Alkoholkonsum zieht zahlreiche körperliche Erkrankungen nach sich: Erhöhtes Verletzungsrisiko, Delirium tremens, Krampfanfälle, Leberzirrhose, Polyneuropathien, alkoholbedingte Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung). Alkoholkonsum kann zahlreiche psychische Erkrankungen mitverursachen wie Depression, Schizophrenie, bipolare Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen [15].

Ob Cannabis bei Alkoholsucht unterstützen kann, ist bisher kaum erforscht. Eine 2019 veröffentlichte Übersichtsarbeit zeigte, dass CBD in präklinischen Studien beim Alkoholentzug unterstützen kann. Im Tierversuch wirkte CBD unter anderem alkoholbedingten Nerven- und Leberschäden entgegen und linderte entzugsbedingte Krämpfe. Allerdings bleibt zu klären, ob sich diese Effekte auch beim Menschen zeigen. Dazu sind klinische Studien nötig [16].

Beobachtungsstudie: Colorado – weniger Alkoholkonsum durch Cannabisgebrauch

Eine 2021 publizierte amerikanische Beobachtungsstudie untersuchte, wie Cannabisgebrauch den Alkoholkonsum und die Wahrscheinlichkeit für Rauschtrinken, das sogenannte „Komasaufen“ bei starken Alkoholkonsumierenden beeinflusst. In Colorado ist Freizeitcannabis seit 2014 legal. Die Forschenden analysierten auch den Einfluss vom Geschlecht der Teilnehmenden und des Cannabis-Konsummusters (gelegentlicher oder regelmäßiger Konsum). Zwischen 2016 und 2020 wurden 96 Teilnehmende aus universitären und kommunalen Einrichtungen rekrutiert. Die Teilnehmer*innen füllten zu Studienbeginn, nach vier und acht Wochen sowie nach fünf Monaten ein sogenanntes Timeline Followback (TLFB) aus, um Trinkverhalten und Cannabiskonsum zu untersuchen.

  • Durchschnittlich konsumierten die Teilnehmer*innen ein Drittel (29 Prozent) weniger Alkohol, wenn an diesem Tag Cannabis konsumiert wurde. Auch „Komasaufen“ war an diesen Tagen 2,06-mal weniger wahrscheinlich.
  • Zwischen regelmäßigen und unregelmäßigen Cannabiskonsument*innen wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt hinsichtlich reduziertem Alkoholkonsum.
  • Zwischen Männern und Frauen gab es keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Reduktion alkoholischer Getränke und „Komasaufens“ an Tagen mit Cannabiskonsum.

Diese Ergebnisse decken sich mit bisherigen Beobachtungen, die ergaben, dass Konsument*innen bei legalem Zugang zu Cannabis weniger Alkohol konsumieren [17]. In den ersten Jahren (zwischen 2014 und 2016) nach Legalisierung von Genusscannabis in Washington kam es zum Anstieg des Cannabiskonsums bei gleichzeitigem Rückgang alkoholbedingter Schäden [18].

Fazit

Cannabinoide zeigen großes Potenzial zur Behandlung von Abhängigkeiten. Klinische Studien haben gezeigt, dass insbesondere Cannabidiol (CBD) helfen kann, das Rauchen aufzugeben [19] und den Entzug von Cannabis und Opiaten unterstützt. Die Forschung ist allerdings noch am Anfang. So zeigen präklinische Studien, dass CBD selbst schwerwiegende Alkoholentzugserscheinungen wie Krämpfe lindern kann, Untersuchungen bei Menschen stehen jedoch noch aus. Wirft man einen Blick in die Vereinigten Staaten, sehen wir bereits heute, dass die Verfügbarkeit von legalem Cannabis den Konsum anderer Drogen wie Alkohol und Opiaten vermindert. Daher sind größere klinische Studien zu begrüßen wie auch Grundlagenforschung, um zu verstehen, wie das körpereigene Endocannabinoid-System mit dem Belohnungssystem interagiert.

Quellen

[1] Navarrete F, García-Gutiérrez MS, Gasparyan A, Austrich-Olivares A, Manzanares J. Role of Cannabidiol in the Therapeutic Intervention for Substance Use DisordersFront Pharmacol. 2021;12:626010. Published 2021 May 20. doi:10.3389/fphar.2021.626010

[2] Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht). S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen – 1. Auflage. Version 01. 2020. Internet: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-025l_S3_Medikamtenbezogene-Stoerungen_2021-01.pdf

[3] Substance-Related and Addictive Disorders Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, Text Revision (DSM-5-TR). March 2022

[4] Sinha R. New findings on biological factors predicting addiction relapse vulnerabilityCurr Psychiatry Rep. 2011;13(5):398-405. doi:10.1007/s11920-011-0224-0

[5] Paulus V, Billieux J, Benyamina A, Karila L. Cannabidiol in the context of substance use disorder treatment: A systematic reviewAddict Behav. 2022;132:107360. doi:10.1016/j.addbeh.2022.107360

[6] Galaj E, Xi ZX. Possible Receptor Mechanisms Underlying Cannabidiol Effects on Addictive-like Behaviors in Experimental AnimalsInt J Mol Sci. 2020;22(1):134. Published 2020 Dec 24. doi:10.3390/ijms22010134

[7] Karimi-Haghighi S, Razavi Y, Iezzi D, Scheyer AF, Manzoni O, Haghparast A. Cannabidiol and substance use disorder: Dream or reality. Neuropharmacology. 2022;207:108948. doi:10.1016/j.neuropharm.2022.108948

[8] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Broschuere/BMG_CaPris_A5_Info_web.pdf

[9] Connor JP, Stjepanović D, Le Foll B, Hoch E, Budney AJ, Hall WD. Cannabis use and cannabis use disorderNat Rev Dis Primers. 2021;7(1):16. Published 2021 Feb 25. doi:10.1038/s41572-021-00247-4

[10] Freeman TP, Hindocha C, Baio G, et al. Cannabidiol for the treatment of cannabis use disorder: a phase 2a, double-blind, placebo-controlled, randomised, adaptive Bayesian trial. Lancet Psychiatry. 2020;7(10):865-874. doi:10.1016/S2215-0366(20)30290-X

[11] Hsu G, Kovács B. Association between county level cannabis dispensary counts and opioid related mortality rates in the United States: panel data studyBMJ.2021;372:m4957. Published 2021 Jan 27. doi:10.1136/bmj.m4957

[12] Kudrich C, Hurd YL, Salsitz E, Wang AL. Adjunctive Management of Opioid Withdrawal with the Nonopioid Medication CannabidiolCannabis Cannabinoid Res. 2022;7(5):569-581. doi:10.1089/can.2021.0089

[13] The impact of naturalistic cannabis use on self-reported opioid withdrawal Bergeria, Cecilia L. et al. Journal of Substance Abuse Treatment, Volume 113, 108005

[14] Hsu G, Kovács B. Association between county level cannabis dispensary counts and opioid related mortality rates in the United States: panel data studyBMJ.2021;372:m4957. Published 2021 Jan 27. doi:10.1136/bmj.m4957

[15] Federführende Fachgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-SUCHT) Titel der Leitlinie: “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen” Auflage/Version Datum: Dezember 2020 Verfügbar unter: Link zur Seite Der Leitlinie bei der AWMF: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/076-001.html Zugriff am (Datum): 23.01.2023

[16] Turna J, Syan SK, Frey BN, Rush B, Costello MJ, Weiss M, MacKillop J. Cannabidiol as a Novel Candidate Alcohol Use Disorder Pharmacotherapy: A Systematic Review. Alcohol Clin Exp Res. 2019 Apr;43(4):550-563. doi: 10.1111/acer.13964. Epub 2019 Feb 19. PMID: 30698831; PMCID: PMC6910215.

[17] Karoly HC, Ross JM, Prince MA, Zabelski AE, Hutchison KE. Effects of cannabis use on alcohol consumption in a sample of treatment-engaged heavy drinkers in ColoradoAddiction. 2021;116(9):2529-2537. doi:10.1111/add.15407

[18] Subbaraman MS, Kerr WC. Subgroup trends in alcohol and cannabis co-use and related harms during the rollout of recreational cannabis legalization in Washington state. Int J Drug Policy. 2020;75:S0955-3959(19)30181-1. doi:10.1016/j.drugpo.2019.07.003

[19] Morgan CJ, Das RK, Joye A, Curran HV, Kamboj SK. Cannabidiol reduces cigarette consumption in tobacco smokers: preliminary findingsAddict Behav. 2013;38(9):2433-2436. doi:10.1016/j.addbeh.2013.03.011

About Minyi Lü

Minyi Lü suffers from chronic pain due to her finger arthritis. She has been treating her complaints very successfully with medicinal cannabis since 2017. As a pharmacist in internship, she now brings her know-how to report on the latest scientific findings around medicinal cannabis.