Die wichtigsten Cannabinoide (THC, CBD, CBC, CBG, CBN) und ihre therapeutischen Wirkungen

In der Cannabispflanze kommen über 100 verschiedene Phytocannabinoide vor, die mit dem Endocannabinoid-System (ECS) des Körpers interagieren. Am bekanntesten ist das psychotrope Tetrahydrocannabinol (THC), während Cannabidiol (CBD) das geläufigste nicht-berauschende Cannabinoid ist. Daneben haben unter den zahlreichen Phytocannabinoiden Cannabichromen (CBC), Cannabigerol (CBG) und Cannabinol (CBN) wichtige therapeutische Wirkungen.

Die chemische Struktur von Tetrahydrocannabinol (THC) wurde 1964 entschlüsselt. Etwa 30 Jahre später entdeckten Forscher*innen die Endocannabinoide (körpereigene Cannabinoide) N-Arachidonoylethanolamin (Anandamid) und 2-Arachidonoylglycerol (2-AG) [1]. Diese Meilensteine führten zur Entdeckung des Endocannabinoid-Systems (ECS), welches eine wichtige Rolle für die Regulation physiologischer Prozesse wie Appetit, Schmerzempfinden, Stimmung und Gedächtnis besitzt.

THCCBDCBNCBCCBG 
*Schmerzlinderung (Neuropathische Schmerzen)         *Antispastikum        (Multiple Sklerose)          *Appetitsteigerung *Tourette-Syndrom         *Entzündungs-hemmend (Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn, Colitus ulcerosa)          *Neuroprotektive Wirkung (Alzheimer, Parkinson)*Antiepileptikum         *Schmerzlinderung     *Antipsychotisch     Entzündungs-hemmung  *Antioxidativ (Diabetes mellitus, Alzheimer)*Antidepressiv*Antikonvulsiv         *Schlaffördernd     *Antibiotisch         *Entzündungs-hemmend*Antidepressiv          *Antimykotisch      *Antibakteriell          *Entzündungs-hemmend*Neuroprotektive Wirkung (Neurologische Erkrankungen)         *Entzündungs-hemmend (Chronisch-entzündliche Darmerkran-kungen)         *Blutdrucksenkung (Metabolisches Syndrom)          *Sekung des Augeninnendrucks (Gkaukom)         *Hemmung von  Hornzellen (Schuppenflechte)

THC – Tetrahydrocannabinol

Tetrahydrocannabinol (THC), genauer gesagt Delta-9-Tetrahydrocannabinol, ist vor allem für seine psychotrope Wirkung bekannt, die über CB1-Rezeptoren vermittelt wird. Das Cannabinoid hat auch zahlreiche medizinische Wirkungen. Zu den Indikationen mit guter Studienlage gehören beispielsweise: Spastik bei Multipler Sklerose, Übelkeit und Erbrechen bei Krebspatient*innen, neuropathische Schmerzen sowie Appetitlosigkeit bei HIV- und Krebspatient*innen. Auch bei anderen Erkrankungen, beispielsweise Tourettesyndrom, kann THC wirksam sein [2].

Wird THC mit anderen Cannabinoiden kombinierte, kann sich die Wirkung verstärken: In einer Studie der Universität London aus dem Jahr 2017 zeigte sich, dass THC und CBD in Kombination präparierte menschliche Leukämie-Zellen effektiver bekämpft als die Einzelsubstanzen. Leukämie ist eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems [3]. THC senkt den Augeninnendruck und könnte daher ein Mittel gegen Glaukom sein [14].

CBD – Cannabidiol

Cannabidiol (CBD), das nach THC bekannteste Cannabinoid, löst keine psychotropen Effekte aus und hat ebenfalls viele positive medizinische Wirkungen. CBD bindet nur schwach an CB1- und CB2-Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems. Auf CB1-Rezeptoren wirkt CBD als negativer allosterischer Modulator, erschwert es also THC, sich an den Rezeptor anzulagern. Auf diese Weise wird die psychotrope Wirkung durch CBD moduliert [18].

Bereits zugelassen ist ein CBD-haltiges Fertigarzneimittel zur Behandlung von seltenen kindlichen Epilepsieformen (Lennox-Gaustaut- und Dravet-Syndrom), sowie von Krampfanfällen im Zusammenhang mit tuberöser Sklerose (TSC) [4].

Vielversprechende Studien liegen außerdem zur Behandlung von Ängsten und zur antipsychotischen Wirkung bei Schizophrenie vor [5]. CBD hat antidepressive Eigenschaften [6]. Wegen der antioxidativen und entzündungshemmenden Effekte kann CBD bei Erkrankungen hilfreich sein, die mit oxidativem Stress einhergehen, wie Krebserkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Alzheimer) oder Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) [7].

CBC – Cannabichromen

Cannabichromen (CBC) gehört zu den nicht-psychotropen Cannabinoiden der Cannabispflanze. Pflanzen, die viel CBD produzieren, werden durch gezielte Kreuzung gezüchtet. CBC wirkt an CB2-, jedoch nicht an CB1-Rezeptoren. Darüber hinaus werden TRP-Kanäle beeinflusst, die eine Rolle bei Schmerz und Entzündung spielen. In Studien an Mäusen reduzierte CBC Schmerzen und verstärkte die schmerzlindernde Wirkung von THC [8]. CBC zeigt auch antidepressive [6], antibakterielle und antimykotische Eigenschaften [9]. Die entzündungshemmenden Effekte von CBC wurden erstmals 1980 in einem Tiermodell beschrieben. CBC reduzierte die Bildung von Ödemen (Wassereinlagerungen) in entzündeten Rattenpfötchen.

In Versuchen konnte CBC außerdem die Zellmembran von roten Blutkörperchen stabilisieren. Die entzündungshemmende Wirkung wurde mit der des nicht-steroidalen Antirheumatikums Phenylbutazon verglichen: Bei ähnlicher Dosierung war CBC wirksamer als Phenylbutazon. Darüber hinaus ist CBC besser verträglich [10]. Ein italienisches Forscherteam zeigte 2013, dass CBC sich durch Wechselwirkung mit Adenosin A1-Rezeptoren positiv auf die Lebensfähigkeit von isolierten Mäuse-Stammzellen auswirken kann [11].

CBG – Cannabigerol

Cannabigerol (CBG) ist die Vorläufersubstanz, aus der die Cannabispflanze die Cannabinoide THC, CBD und CBC bildet. Das nicht-psychotrope Cannabinoid ist ein sogenannter Partialagonist an CB1- und CB2-Rezeptoren, bindet also an den Rezeptoren, übt jedoch nur eine schwache Wirkung aus. Daher reduziert CBG die psychotropen Effekte von THC [12]. Daneben wirkt CBG auch an Alpha2-Adrenorezeptoren und 5-HT1A-Rezeptoren, ein bestimmter Serotoninrezeptor. Die Erforschung von CBG steht noch am Anfang, jedoch zeigen aktuelle Studien positive Effekte bei diversen Krankheiten. Nach aktuellen Studien kann CBG bei neurologischen Erkrankungen (z. B. Chorea Huntington, Parkinson, Multiple Sklerose) und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wirksam sein.

CBG wirkt durch Bindung an den Alpha2-Adrenorezeptor blutdrucksenkend und könnte daher beim metabolischen Syndrom eingesetzt werden [13]. Es zeigte sich außerdem, dass CBG den Augeninnendruck senken kann, was die Substanz interessant zur Behandlung von Glaukom macht [14]. Auch bei Hauterkrankungen wie der Schuppenflechte (Psoriasis) kann CBG wirksam sein. CBG hemmt die bei Psoriasis krankhaft gesteigerte Bildung von Hornzellen [15].

CBN – Cannabinol

Cannabinol (CBN) ist ein Oxidationsprodukt von THC, entsteht also durch Hitze- und Sauerstoffeinfluss und kommt hauptsächlich in gealterten Cannabisprodukten vor. Es wurde bereits 1899 entdeckt und ist damit das zuerst erforschte Cannabinoid. Studien am Menschen haben gezeigt, dass CBN eine leicht psychotrope Wirkung besitzt, die sich bei Kombination mit THC verstärkt [16]. Medizinisch kann CBN aufgrund der sedierenden und antikonvulsiven (krampflösenden) Effekte eingesetzt werden. Darüber hinaus deuten Untersuchungen auf entzündungshemmende und antibiotische Wirkungen hin, wodurch auch multiresistente Keime wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) bekämpft werden könnten.

Auch für äußerliche Anwendungen könnte CBN zukünftig eine Option sein. Durch Hemmung der Ausbildung von Hornzellen könnte CBN bei Schuppenflechte (Psoriasis) hilfreich sein. Da CBN auch auf Hitzesensoren (TRPV2) einwirkt, kann das Cannabinoid möglicherweise zur lokalen Therapie von Verbrennungen eingesetzt werden [8]. Ein kanadisches Forscherteam fand 2019 in einer Studie an Ratten heraus, dass CBN alleine oder in Kombination chronische Muskelschmerzen, wie sie beispielsweise bei Fibromyalgie auftreten, lindern kann [17].

Forscher*innen arbeiten weiterhin daran, durch wissenschaftliche Studien weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabinoiden zu erlangen. Die Wissenschaft wird in den nächsten Jahren weitere bisher offene Fragen zu diesen und anderen Phytocannabinoiden beantworten.

[1]          Trends in Pharmacological Sciences. Volume 36, Issue 5, Pages 277-296. Endocannabinoid signaling at the periphery: 50 years after THC.. M. Maccarrone, I. Bab, T. Bíró, Guy A. Cabral, Sudhansu K. Dey, V. Di Marzo, Justin C. Konje, G. Kunos, R. Mechoulam, P. Pacher, Keith A. Sharkey, A. Zimmer. (May 2015).

[2]          Fraguas-Sánchez, A.I., Torres-Suárez, A.I. Medical Use of Cannabinoids. Drugs 78, 1665–1703 (2018). https://doi.org/10.1007/s40265-018-0996-1

[3]          Scott KA, Dalgleish AG, Liu WM. Anticancer effects of phytocannabinoids used with chemotherapy in leukaemia cells can be improved by altering the sequence of their administration. Int J Oncol. 2017 Jul;51(1):369-377. doi: 10.3892/ijo.2017.4022. Epub 2017 May 29. PMID: 28560402.

[4] https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/epidyolex

[5] White CM. A Review of Human Studies Assessing Cannabidiol’s (CBD) Therapeutic Actions and Potential. J Clin Pharmacol. 2019 Jul;59(7):923-934. doi: 10.1002/jcph.1387. Epub 2019 Feb 7. PMID: 30730563.

[6] El-Alfy AT, Ivey K, Robinson K, Ahmed S, Radwan M, Slade D, Khan I, ElSohly M, Ross S. Antidepressant-like effect of delta9-tetrahydrocannabinol and other cannabinoids isolated from Cannabis sativa L. Pharmacol Biochem Behav. 2010 Jun;95(4):434-42. doi: 10.1016/j.pbb.2010.03.004. Epub 2010 Mar 21. PMID: 20332000; PMCID: PMC2866040.

[7]Atalay S, Jarocka-Karpowicz I, Skrzydlewska E. Antioxidative and Anti-Inflammatory Properties of Cannabidiol. Antioxidants (Basel). 2019 Dec 25;9(1):21. doi: 10.3390/antiox9010021. PMID: 31881765; PMCID: PMC7023045.

[8] Ethan B. Russo, Jahan Marcu, Chapter Three – Cannabis Pharmacology: The Usual   Suspects and a Few Promising Leads, Editor(s): David Kendall, Stephen P.H. Alexander, Advances in Pharmacology, Academic Press, Volume 80, 2017, Pages 67- 134, ISSN 1054-3589, ISBN 9780128112328,                                                                                                        https://doi.org/10.1016/bs.apha.2017.03.004.                                                            

[9]          Turner CE, Elsohly MA. Biological activity of cannabichromene, its homologs and  isomers. J Clin Pharmacol. 1981 Aug-Sep;21(S1):283S-291S. doi: 10.1002/j.1552- 4604.1981.tb02606.x. PMID: 7298870.

[10]        Life Sciences. Volume 26, Issue 23, 9, Pages 1991-1995. Anti-inflammatory properties of  cannabichromene – ScienceDirect. Philip W. Wirth, E. Sue Watson, Mahmoud ElSohly,  Carlton E. Turner, James C. Murphy. (1980).

[11]        Noriko Shinjyo, Vincenzo Di Marzo, The effect of cannabichromene on adult neural   stem/progenitor cells, Neurochemistry International, Volume 63, Issue 5, 2013, Pages 432-      437, ISSN 0197-0186, https://doi.org/10.1016/j.neuint.2013.08.002.

[12]        Joshua A. Hartsel, Joshua Eades, Brian Hickory, Alexandros Makriyannis, Chapter 53 – Cannabis sativa and Hemp, Editor(s): Ramesh C. Gupta, Nutraceuticals, Academic    Press, 2016, Pages 735-754, ISBN 9780128021477, https://doi.org/10.1016/B978-0-12-                     802147-7.00053-X.                                               (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B978012802147700053X)

[13]     Potential Clinical Uses of CBG Rahul Nachnani, Wesley M. Raup-Konsavage and Kent E.  Vrana Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics February 1, 2021, 376 (2) 204-212; DOI: https://doi.org/10.1124/jpet.120.000340

[14]        Colasanti BK. A comparison of the ocular and central effects of delta 9-tetrahydrocannabinol and cannabigerol. J Ocul Pharmacol. 1990 Winter;6(4):259-69. doi: 10.1089/jop.1990.6.259.  PMID: 1965836.

[15]        Wilkinson JD, Williamson EM. Cannabinoids inhibit human keratinocyte proliferation                   through a non-CB1/CB2 mechanism and have a potential therapeutic value in the treatment of psoriasis. J Dermatol Sci. 2007 Feb;45(2):87-92. doi: 10.1016/j.jdermsci.2006.10.009. Epub 2006 Dec 6. PMID: 17157480.

[16]     Effects of Δ9-Tetrahydrocannabinol and Cannabinol in Man

Karniol I.G. · Shirakawa I. · Takahashi R.N. · Knobel E. · Musty R.E. Pharmacology            1975;13:502–512 https://doi.org/10.1159/000136944

[17]        Wong H, Cairns BE. Cannabidiol, cannabinol and their combinations act as peripheral                   analgesics in a rat model of myofascial pain. Arch Oral Biol. 2019 Aug;104:33-39. doi:                   10.1016/j.archoralbio.2019.05.028. Epub 2019 May 28. PMID: 31158702.

[18]        Chung H, Fierro A, Pessoa-Mahana CD (2019) Cannabidiol binding and negative allosteric modulation at the cannabinoid type 1 receptor in the presence of delta-9-tetrahydrocannabinol: An In Silico study. PLoS ONE 14(7): e0220025. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0220025

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About Minyi Lü

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