Kopfschmerzen und Cannabinoid-Behandlung

Drückend, stechend oder pulsierend – Kopfschmerzen äußern sich ganz unterschiedlich. Ob Spannungskopfschmerz, Migräne oder Cluster-Kopfschmerz, die Varianten der Erkrankung kommen mit unterschiedlichen Symptomen daher. Die Behandlung richtet sich nach der Art und der Ausprägung der Schmerzen. Welchen Beitrag können Cannabinoide wie THC und CBD leisten? Viele Studien liegen noch nicht vor, aber einige Untersuchungen geben Hinweise auf die positive Wirkung von Cannabis als Medizin bei chronischen Kopfschmerzen.

Volkskrankheit mit hohem Leidensdruck 

Kopfschmerzen sind ein weitverbreitetes gesundheitliches Leiden in Deutschland. Laut Techniker Krankenkasse gehören sie gemeinsam mit Rückenschmerzen zu den häufigsten Schmerzformen. “In Deutschland leiden etwa 54 Millionen Menschen – also rund 70 Prozent der Bevölkerung – unter vorübergehenden oder anhaltenden Kopfschmerzen [1].” Die Ursachen sind vielfältig, individuell und bisher nicht endgültig erforscht. 

Die International Headache Society (IHS) unterscheidet zwischen primären Kopfschmerzen und sekundären Kopfschmerzen. Bei den primären Kopfschmerzen ist das Leiden eine eigenständige Erkrankung, wie bei Migräne oder Spannungskopfschmerz. Sekundäre Kopfschmerzen sind eher selten. Hier ist der Schmerz das Symptom einer anderen Erkrankung, beispielsweise infolge eines Schädel-Hirn-Traumas.

Kopfschmerzen (Cephalgie) können gelegentlich, anfallsartig oder chronisch auftreten. Vor allem chronische Verläufe gehen mit einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität der Patienten und einem hohen Leidensdruck einher. Darüber hinaus können die Schmerzen auch das Symptom einer ernsten Erkrankung sein, wie beispielsweise einer Meningitis. Daher muss der behandelnde Arzt oder die Ärztin solche Ursachen der Erkrankung ausschließen. Treten starke Kopfschmerzen plötzlich und vermehrt auf, sollten die Betroffenen sich nicht mit Schmerzmitteln selbst behandeln, sondern zunächst eine Arztpraxis aufsuchen.

Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft bietet auf ihrer Webseite ebenfalls hilfreiche Informationen für Patientinnen und Patienten. 

Episodischer und chronischer Spannungskopfschmerz

Die häufigste Form von Kopfschmerzen ist der Spannungskopfschmerz, danach folgt die Migräne. Spannungskopfschmerz empfinden die Betroffenen häufig als dumpf-drückenden, leichten bis mittelschweren Schmerz. Episodisch auftretender wie auch chronischer Spannungskopfschmerz wird mit klassischen Schmerzmitteln behandelt. Außerdem sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Massagen, autogenes Training, Yoga und andere Entspannungstechniken hilfreich.

Der Spannungskopfschmerz hat meist nicht nur eine Ursache, sondern wird durch verschiedene Einflüsse ausgelöst. So wird diese Form der Erkrankung mit Stress, Angst und depressiven Verstimmungen in Verbindung gebracht. Viele Betroffene leiden aber an keinem dieser Faktoren.

Migräne

Migräne ist ein wiederholt auftretender, einseitiger Kopfschmerz. Häufig geht die Erkrankung mit Übelkeit, Erbrechen sowie mit Lärm- und Lichtempfindlichkeit einher. Teilweise kommt es dabei vor dem Einsetzen der Schmerzen zu Aura-Phänomenen. 

Als Aura werden Symptome bezeichnet, die sehr unterschiedlich sein können. Betroffene haben mit Sehstörungen zu kämpfen wie Lichtblitze, flimmernde Zickzack-Linien oder blinde Flecken im Sehfeld. Bei anderen Migränepatienten äußert sich die Aura als Schwäche, Taubheit oder Kribbeln, es kann zu Störungen beim Sprechen kommen, zu Schwindel oder zu Doppelbildern. Die Aura tritt nur vorübergehend auf und hinterlässt keine bleibenden Schäden.

Frauen leiden dreimal so häufig an Migräne wie Männer. Über die Ursache der Erkrankung gibt es viele Theorien, aber bis heute keine eindeutigen Erkenntnisse. Mögliche Faktoren, die eine Migräne auslösen, sind:

  • Klimaeinflüsse: Wetterwechsel, Kälte
  • Bestimmte Genussmittel wie Alkohol, Nikotin, Zitrusfrüchte, Milchprodukte, Schokolade, Rotwein
  • Veränderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Zeitverschiebungen, unregelmäßiger Schlaf
  • Stress
  • Menstruation
  • Einnahme von Hormonen

Cluster-Kopfschmerzen

Der Cluster-Kopfschmerz gehört zur Gruppe der trigeminoautonomen Kopfschmerzen. Er äußert sich durch schwerste, einseitige Kopfschmerzen, die zwischen zehn Minuten und drei Stunden andauern und häufig nachts einsetzen. Die Schmerzattacken treten meist im Bereich eines Auges auf. Weitere Symptome sind ein verstärkter Tränenfluss und ein gerötetes Auge. Die Anfälle häufen sich periodisch über Wochen („Cluster“) und werden im Anschluss von einer längeren beschwerdefreien Phase abgelöst.

Ärzte behandeln einen akuten Anfall mit Arzneimitteln wie Triptane. Um den Schmerzattacken vorzubeugen, kommt der Wirkstoff Verapamil zum Einsatz. Herkömmliche Arzneimittel gegen Schmerzen wie auch Entspannungstechniken zeigen bei den starken Schmerzanfällen dieser Erkrankung keine ausreichende Wirkung.

Linderung durch Cannabinoide?

Ärztinnen und Ärzte wissen inzwischen, dass das Endocannabinoidsystem an der zentralen Schmerzverarbeitung des Körpers beteiligt ist. Verantwortlich ist dafür ein Zusammenspiel aus Endocannabinoiden, Endocannabinoid-Rezeptoren und Enzymen, die Endocannabinoide im Körper bilden und abbauen.

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Cannabis als Medizin das Auftreten von Schmerzen verhindern kann, indem er die Schmerzschwelle erhöht. Auch wenn sich die Intensität der Schmerzen nicht verringert, zeigt sich, dass medizinisches Cannabis dafür sorgt, dass die Betroffenen Schmerzen subjektiv als erträglicher wahrnehmen [2].

Amerikanische Forscher haben 2018 in einer Metastudie die bis dahin vorhandene medizinische Fachliteratur zum Einsatz von Medizinal-Cannabis bei der Behandlung von Migräne, Kopf- und Gesichtsschmerzen sowie anderen chronischen Schmerzsyndromen beurteilt [3]. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Belege häufen, die für die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis als Medizin bei der Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen sprechen.

Die meisten der vorhandenen Untersuchungen beziehen sich auf die Cannabinoide Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) oder Cannabis im Allgemeinen. Die Wissenschaftler der Metastudie weisen allerdings darauf hin, dass es viele Cannabissorten gibt, die sich in ihrer Zusammensetzung von Cannabinoiden, Terpenen, Flavonoiden und anderen Verbindungen stark unterscheiden. Diese Komponenten und ihre Kombination erzeugen große Unterschiede in Nutzen und Nebenwirkungen. Daher ist es wichtig, die Erforschung der individuellen medizinischen Eigenschaften von Cannabinoiden, Terpenen und Flavonoiden voranzutreiben, um so die Cannabistherapien optimieren zu können.

Nabilon (ein synthetisches Derivat des THC) hat sich in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 26 Cluster-Kopfschmerz-Patienten als schmerzstillendes cannabis-basiertes Medikament erwiesen [4]. Für die Wissenschaftler unterstreicht diese Untersuchung auch den potenziellen Wert von medizinischem Cannabis in der Kombinationstherapie, als Ergänzung zu traditionellen Therapien oder als Behandlungsoption für therapieresistente Fälle.

Bisher nur wenige klinische Studien vorhanden

Gegenwärtig gibt es nicht viel Evidenz aus gut konzipierten klinischen Studien, die die Verwendung von medizinischem Cannabis bei Kopfschmerzen unterstützen. Es gibt allerdings eine Vielzahl von Patientenbeobachtungen und kleineren Untersuchungen, die eine Wirksamkeit von Cannabinoiden zeigen. Daher sind weitere Untersuchungen wichtig, die belegen, für welche Patientinnen und Patienten eine Cannabis-Therapie geeignet ist und welche Cannabis-Medikamente sinnvoll sind [4].

Kopfschmerz-Patienten nutzen Cannabis

Eine aktuelle Untersuchung der Washington State University aus dem Jahr 2020 hat Daten einer Patienten-App ausgewertet, um die medizinische Wirksamkeit von Cannabis bei Kopfschmerzen zu beleuchten. Die Forscher nutzten dafür Archivdaten von Strainprint, einer medizinischen Cannabis-App aus den USA. Diese ermöglicht es Patienten, ihre Symptome vor und nach der Verwendung verschiedener Cannabissorten und Dosierungen zu verfolgen [5].

Für die Analyse wurden Daten aus über 12.000 Sitzungen ausgewertet, in denen Patienten Cannabis zu medizinischen Zwecken bei Kopfschmerzen verwendeten. Zusätzlich wurden Daten aus knapp 7.500 Sitzungen bewertet, in denen Cannabis zur Behandlung von Migräne eingesetzt wurde. Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die individuellen Kopfschmerz- und Migränewerte nach dem Einsatz von Cannabis signifikant sanken.

Dabei berichteten Männer über einen deutlicheren Rückgang der Schmerzen als Frauen. Die Einnahme von Konzentraten brachte eine stärkere Linderung als die von Cannabisblüten. Darüber hinaus zeigten sich Hinweise, dass die Wirksamkeit bei Cannabisblüten im Laufe der Zeit nachließ und die Patienten dazu tendierten, höhere Dosen zu inhalieren. Dies deutet laut der Wissenschaftler darauf hin, dass sich bei der Einnahme eine Toleranz gegenüber der Wirkung der Cannabisblüten entwickeln könnte.

Fazit: Forschung und das Endocannabinoidsystem

Bisher existieren nur wenige klinische Studien, die eine klare Evidenz für eine Cannabis-Behandlung bei Kopfschmerzen und Migräne beweisen. Es fehlen leider gute randomisierte und placebo-kontrollierte Studien, um die tatsächlichen Wirkungen von Cannabis-Arzneimitteln besser beurteilen zu können. 

 

Ärztinnen und Ärzte wissen heute aber, dass Cannabinoide die Funktionen und Aktivitäten von Signalwegen beeinflussen, die eine Schlüsselrolle bei der Schmerzkontrolle spielen. Eine wachsende Anzahl an Laboruntersuchungen sowie erste klinische Befunde zeigen, dass Cannabinoide und das Endocannabinoidsystem über mehrere Mechanismen für Migräne, Spannungskopfschmerz und andere Formen von Kopfschmerzen relevant sein könnten. Daher ist das Endocannabinoidsystem “ein interessantes Forschungsgebiet, das auf der Suche nach therapeutischen Ansatzpunkten für die Behandlung von Migräne untersucht werden sollte [6].” 



[1] Techniker Krankenkasse

[2] De Vita MJ, Moskal D, Maisto SA, Ansell EB. Association of Cannabinoid Administration With Experimental Pain in Healthy Adults: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Psychiatry. 2018;75(11):1118–1127. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.2503

 

[3] Baron EP. Medicinal Properties of Cannabinoids, Terpenes, and Flavonoids in Cannabis, and Benefits in Migraine, Headache, and Pain: An Update on Current Evidence and Cannabis Science. Headache. 2018;58(7):1139-1186. doi:10.1111/head.13345

 

[4] Lochte BC, Beletsky A, Samuel NK, Grant I. The Use of Cannabis for Headache Disorders. Cannabis Cannabinoid Res. 2017;2(1):61-71. Published 2017 Apr 1. doi:10.1089/can.2016.0033

 

[5] Cuttler C, Spradlin A, Cleveland MJ, Craft RM. Short- and Long-Term Effects of Cannabis on Headache and Migraine. J Pain. 2020 May-Jun;21(5-6):722-730. doi: 10.1016/j.jpain.2019.11.001. Epub 2019 Nov 9. PMID: 31715263.

 

[6] Tassorelli C, Greco R, Silberstein SD. The endocannabinoid system in migraine: from bench to pharmacy and back. Curr Opin Neurol. 2019 Jun;32(3):405-412. doi: 10.1097/WCO.0000000000000688. PMID: 30883435.

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About Gesa Riedewald

Gesa Riedewald is the managing director of Kalapa Germany. She has been working as a medical writer on the topic of pharmaceutical cannabis since 2017 and has years of experience in the healthcare sector.

Gesa Riedewald ist die Geschäftsführerin von Kalapa Deutschland. Sie ist bereits seit 2017 als medical writer für das Thema Cannabis als Medizin tätig und besitzt jahrelange Erfahrung im Bereich Healthcare.

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